Metzgerei öffnet ein letztes Mal

Administrator (admin) on 20.06.2024

Die Schließung des Ladenlokals in Bad Honnef-Rottbitze ist ein Teil einer großen Umstrukturierung

Metzgerei öffnet ein letztes Mal

Die Schließung des Ladenlokals in Bad Honnef-Rottbitze ist ein Teil einer großen Umstrukturierung

Von Mario Quadt

ROTTBITZE. | Es brodelt, gluckert und dampft machtvoll in allen Töpfen von Josef Witt Junior. Der Fleischermeister in fünfter Generation ist in seinem Element: Er probiert Rezepte aus. Die vielfältigen Gerüche, die in seiner Küche in Rottbitze in die Nase steigen, verraten, dass aus zartem Rindfleisch, Zwiebeln, Gurken, Senf, Speck und einer Handvoll persönlicher Geheimnisse und Raffinessen Rouladen entstehen. An der nur wenige Schritte entfernten Theke der Metzgerei an der Himberger Straße werden ihn seine Kunden bald nicht mehr zu Gesicht bekommen: Am Samstag, 29. Juni, öffnet Metzgerei Witt zum letzten Mal die Pforten ihres Ladenlokals. Nach 138 Jahren ist Schluss – aber keineswegs für immer.

Der Schluss im Rottbitzer Verkaufsraum ist nicht das Ende der Metzgerei – im Gegenteil. Die stellt Witt nämlich im Wortsinne neu auf: mit Verkaufsautomaten. „Da wird es alles geben, was sich gut abpacken lässt: Grillwürstchen, Fleischwurst, Leberwurst und Gerichte wie Gulasch oder die Rouladen“, sagt Witt. Was jetzt noch emsig auf dem Herd brodelt, gelangt anschließend in Einkochgläser. Wenn der 54-Jährige mit seinem Rouladenrezept durch ist, sind 150 Portionen sozusagen verzehrfertig. „Die Kunden frieren sich das ein“, weiß Witt.

Es ist ihm, bei aller Freude am Ausprobieren von kulinarischen Köstlichkeiten, anzusehen, dass ihm der Entschluss, das Ladenlokal zu schließen, alles andere als leicht fällt. „Ich muss erst mal Luft holen“, sagt der Fleischermeister, der mit 16 Jahren in den Betrieb seiner Familie eingestiegen ist und seit 24 Jahren als Selbstständiger die vielfach ausgezeichnete Metzgerei leitet. Das Problem, in ausreichender Menge, fachlich versiertes Personal für den Verkauf zu finden, ist zur schier unüberwindbaren Hürde geworden, wie er sagt. „Wir haben früher mit acht bis zehn Leuten hinter der Theke gestanden und die Kunden bedient“, schildert Josef Witt junior. „Heute sind wir froh, wenn wir vier haben.“

„Im Moment ist es sehr schwierig, neues Personal zu finden – die, die wollen und die, die können“, schildert er. Diese Suche ziehe sich seit mehr als zwei Jahren wie ein roter Faden durch seinen Alltag. Daraus folgte, dass er die Öffnungszeiten des Ladenlokals schon erheblich eingeschränkt hatte: Montags, dienstags und mittwochs ist geschlossen, donnerstags, freitags und samstags geöffnet.

In der Konsequenz der Schließung kann Witt eine Verkäuferin, die im März neu angefangen hatte, zu seinem Bedauern nach dem 29. Juni nicht weiter beschäftigen. Es bleiben allerdings die Mitarbeiter, die ihm dabei helfen, die anderen Geschäftszweige der Metzgerei Witt wie gewohnt weiterlaufen zu lassen. Neben dem neuen Automatenverkauf, der nach einem Umbau Anfang oder Mitte August startet, sind das sein Partyservice, der Veranstaltungsservice, das Catering und ein Imbisswagen. „Alles andere bleibt wie gewohnt zu buchen“; sagt er, hörbar erleichtert über diese Form der Kontinuität. Den Veranstaltungsservice betreibt er etwa seit 20 Jahren.

Nicht nur die Gerichte seiner Küche wie Königsberger Klopse, Pulled Pork, Chili con Carne und vieles mehr werden den Weg in die Verkaufsautomaten finden, ebenso Getränke, Süßigkeiten oder frische Eier eines Eierhofs aus dem benachbarten Kreis Neuwied. „Wir probieren es“, erklärt Witt. Er liebt es, nicht nur neue Rezepturen oder gewisse Gewürze auszuprobieren, er scheut sich auch nicht davor, neue Wege zu gehen. „Ich hänge an dem Betrieb“, schildert er.

Als Sohn des damaligen Inhabers sei er es von Anfang an gewohnt gewesen, dass seine Arbeit mit einer besonderen Erwartungshaltung beobachtet wird. „Ich musste immer mehr machen“, sagt er vielsagend. „Früher hieß es, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind. Da fallen auch mal harte Worte“, schildert der 54-Jährige. Heute komme ihm vieles im Arbeitsleben, „wie in Watte gepackt“ vor.

Weiterhin erhältlich sind nach der Wiedereröffnung im August etwa seine mehrfach preisgekrönten Drachenfelswürstchen oder seine ebenso mit Gold ausgezeichnete Leberwurst. Dass die Drachenfelswürstchen mit Honig und mit Rum verfeinert sind, erfreut nicht nur die Jury der Innungswettbewerbe, an denen Witt regelmäßig teilnimmt, sondern auch seine Kunden, die für diese Lebensmittel mit dem einzigartigen Namen mitunter lange Wege in Kauf nehmen. „Früher haben wir an noch mehr Wettbewerben mitgemacht“, erklärt Josef Witt.

Sein Qualitätsanspruch lässt sich aus einer Aussage glasklar herauslesen: „Für mich war eine Bewertung mit Silber schon wie durchgefallen“, sagt er. „Da hab ich mir gesagt: Beim nächsten Mal musst du es besser machen. Für mich zählt nur Gold.“ Und: Was er für Verkostungswettbewerbe einreichte, sei keine Sonderanfertigungen gewesen, sondern alles „Ware aus der laufenden Produktion.“

So wie Witt die nächsten Tage bis zur Schließung mit recht gemischten Gefühlen angeht, so verhält es sich auch bei seinen Kunden: „Viele sind froh, dass wir erhalten bleiben.“ Sie sagten, sie wollten die neuen Wege des Vertriebs mit Josef Witt junior und seinem Team mitgehen. Viele, die seinen Schritt bedauern, tun dies, weil sie nicht nur wegen der frischen Wurst- und Fleischwaren gekommen waren, sondern auch um des Gesprächs und sozialen Austauschs wegen.

„Es dürfte immer schwieriger werden, wenn es auf das Ende des Monats zugeht“, vermutet er, hoffend, dass das Ende ein Neuanfang ist. So, wie bei seinen Rouladen: Kaum sind 150 Portionen fertig, hat der Metzgermeister schon das nächste Gericht im Kopf. „Dann mache ich Chili con Carne.“

Historie

Von der „Grünen Hölle“ in die Wurstküche

Dass Josef Witt junior und sein Familienbetrieb in Rottbitze trotz der Schließung des Verkaufsraumes dem Bad Honnefer Höhenort erhalten bleibt, dafür werden nicht nur der Automatenverkauf an gleicher Stelle sowie der weiterhin betriebene Partyservice, der Veranstaltungsservice, das Catering und der Imbisswagen Sorge tragen, sondern auch die tiefe Verwurzelung der Familie Witt in einer Vielzahl von Vereinen. Zusammen mit seiner Frau Sandra regierte Witt etwa als Tollitätenpaar in der Session 2014/2015. Als „Geiles Würstchen“ ging der Metzgermeister als ambitionierter Hobbyrennfahrer ins Rennen: Der provokante Schriftzug war gleichzeitig eine Internetadresse. „Wer die eingegeben hat, landete bei uns auf der Internetseite der Metzgerei“, sagt Witt und lacht. Oftmals habe er nach einer Hatz gegen die Uhr durch die „Grüne Hölle“ der Nürburgring-Nordschleife anschließend wieder zurück in die Küche gemusst, um weiter zu arbeiten. Mit seinem Opel Kadett GSI mit 16 Ventilen habe er die Runde durch das Kurvengeschlängel in unter zehn Minuten geschafft. „Die besten Runden bin ich im Regen gefahren.“ Und: Vater Josef Witt senior, mittlerweile 86 Jahre alt, arbeitet so oft es geht, auch noch im Betrieb mit: „Der kommt und macht dann mal eben 3000 Würstchen – mit 86 Jahren“, sagt sein Sohn. qm

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 20.06.2040

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